Lieblings-AbonenntInnen,
ich melde mich zurück aus einer unfreiwillig langen Pause zum Jahreswechsel und ja, es geht mir gut, danke der vielen Nachfragen. Die fünf, ok sechs Wochen Newsletter-Pause basieren auf den unglücklichen Umständen mehrerer Ereignisse, auf die ich nur wenig bis keinen Einfluss nehmen konnte: Influenza, Weihnachten, einer langen Reise, Silvester, einem Hexenschuss im Nackenbereich; der Tatsache, dass ich Zugriff auf die sechste Staffel What We Do In the Shadows hatte.
Ich bin außerdem im Begriff, nach Los Angeles auszuwandern und war indirekt von den Feuern betroffen. Ich hatte sehr viel Glück, musste zwar evakuieren, aber meine Unterkunft steht noch, ich war nicht alleine. Das ist mehr als viele andere sagen können, und wenn ihr euch vorstellen könnt, die Menschen vor Ort beim Wiederaufbau zu unterstützen, findet ihr hier eine Liste mit AutorInnen der Writers Guild of America, die teilweise alles verloren haben.
Hier die Routine für den Januar:
Severance S2 (17. 1.)
Die erste Staffel wurde krass gehyped, zu Recht, muss ich leider als dem prätentiösen Mainstream-Intellektuellentum aversive Person zugeben. Es handelt sich um einen Psychothriller, der die interessante Frage stellt: Was wäre, wenn wir unser Arbeits- und Privatleben komplett trennen könnten? Wenn es einen Knopf gäbe, mit dem man die Arbeit wegdrücken könnte? Die Antwort ist relativ deprimierend, vor allem für die Weggedrückten, den “Innies”.
Es geht um Mark Scout (Adam Scott), einen Mann, dessen triste Routine zuhause nur von seiner tristen Routine bei der Arbeit für eine undurchsichtige Organisation namens Lumon Industries übertroffen wird. Mark und seine KollegInnen können sich während der Arbeit dank eines medizinischen Eingriffs nicht an ihr Privatleben erinnern: Wer sie sind, ob sie Familie haben, was sie gerne anziehen, essen, mitsingen. Sie stecken fest in ihren eintönigen Jobs, in einem eintönigen Büro, in einem Gebäude so ansprechend wie ein Berliner Technobunker bevor die Gäste da sind. Als ein Kollege verschwindet, beginnen sie ihre Corporate Misere™ zu hinterfragen. Was machen sie hier den ganzen Tag? Wer hat sie hier abgestellt?
Storytelling-technisch macht die Serie mit ihren vielen Twists und dystopischen Meta-Witzchen über das, was wir “Work-Life-Balance” nennen, sehr viel Spaß. Severance ist spannend und sieht visuell gut aus, was vor allem Regisseur Ben Stiller zu verdanken ist. Ja, der Ben Stiller, den ich zuletzt in *checks notes*, Dodgeball (Deutscher Titel: Voll auf die Nüsse, na klar) gesehen habe. Die Hauptattraktion ist jedoch das fantastische Cast um Adam Scott (Parks & Rec, Big Little Lies), Britt Lower, John Turturro, Zach Cherry, Patricia Arquette und Christopher Walken. Nach allem, was ich bislang gesehen habe, schließt die zweite Staffel qualitätstechnisch nahtlos an die erste an.
Was ich aus Marketing-Perspektive bemerkenswert finde: Die US-KollegInnen haben viel Verständnis für und viel Liebe zu ihrem Content bewiesen.

Angefangen vom LinkedIn-Account für Lumon Industries, der in der Tonalität sehr nah dran am Original ist bis hin zum PR-Stunt vergangene Woche im Grand Central Terminal in New York, als die DarstellerInnen in der Bahnhofshalle in kleinen Büros ihren monotonen Tätigkeiten nachgingen. Das ist die Art von Verlängerung, bei der Fans sich ernst genommen fühlen und die im Gedächtnis bleibt.
Läuft auf: Apple TV+
Blink Twice (21. 1.)
Im Kino verpasst, im Flugzeug nachgeholt: Channing Tatum spielt einen reichen Tech-Entrepreneur, der einen Haufen attraktiver Menschen auf seine Privatinsel einlädt. Unter den GästInnen: die junge Kellnerin Frida (Naomi Ackie) mit Freundin. Schnell häufen sich merkwürdige Vorkommnisse. Die Geladenen werden von Erinnerungslücken geplagt, die nicht nur am Tequila und Koks liegen.
Lieblingszitat, nicht nur für Privatinsel-Aufenthalte: “Ich glaube, ich habe gleichzeitig die beste und die schrecklichste Zeit meines Lebens.”
Der Psychothriller ist der Debütfilm von Zoe Kravitz als Regisseurin und bekam eher gemischte Reviews. Ich war positiv überrascht und fand vor allem das Tempo angenehm: Die erste Leiche wird vor Minute 30 gefunden, es gibt ein paar gute Twists und Einstellungen und der Film dauert 1 Stunde und 42 Minuten.
Läuft auf: Amazon Prime
Mehr Channing Tatum gab’s übrigens im Dezember.
What We Do in the Shadows S6 (22. 1.)
Wir haben schon oft über die Vampir-WG aus Staten Island gesprochen, deswegen ist dies nur der Programmhinweis für alle, die ich schon bekehren konnte. In der finalen Staffel müssen sich Nandor, Laszlo, Nadja und Colin Robinson zunehmend um sich selbst kümmern, nachdem sie ihren sterblichen Zu-Geh-Mann Guillermo vergrault haben. Es ist vielleicht nicht die stärkste Staffel in der Vampir-Saga, aber ein würdiges Ende und das ist mehr, als ich über die meisten Serien sagen kann.
Hier der Trailer zur sechsten Staffel:
Läuft auf: Disney+
The Night Agent S2 (23. 1.)
Zur Empörung vieler war dieser Action-Thriller einer der meistgeschauten Titel auf Netflix in 2023. Ich verstehe die Empörung, aber auch das “meistgeschaut”.
Die Serie von Lie to me- und S.W.A.T.-Erfinder Shawn Ryan hat folgende Prämisse: Peter Sutherland, ein Niemand im Security-Team des Weißen Hauses, bekommt den undankbaren Auftrag, die Friedhofsschicht am Notfall-Telefon zu übernehmen. Als mitten in der Nacht der Hilferuf einer attraktiven Unbekannten eingeht, nimmt die Verfolgungsjagd/Suche nach der Wahrheit/Heldenreise ihren Lauf.
In Staffel 2 ist Sutherland, mittlerweile befördert, in Thailand auf der Suche nach einem Maulwurf innerhalb der CIA und endet auch auf dieser Mission als Einzelkämpfer: “Er ist abgetaucht”, brieft eine panische Einsatzleiterin die US-Präsidentin.
Die SerienmacherInnen bedienen sich aller Actionfilm-Tropes, die ihnen wohl während einer fünfminütigen Raucherpause eingefallen sind. Aber es funktioniert, inklusive wirklich brachialer Cliffhanger am Ende jeder Folge. Im Journalismus würden wir das intelligenten Boulevard nennen, bei Netflix – einen Hit.
Läuft auf: Netflix
Gegenprogramm: der Rambo für Intellektuelle
Paradise S1 (28. 1.)
Mir sind auf Anhieb drei sehr gute Sachen eingefallen, in denen ich Sterling K. Brown gesehen habe: American Fiction (Oscar für bestes Drehbuch letztes Jahr), The People vs OJ Simpson (Emmy für beste Serie) und This Is Us (Emmys, Globes, SAGs für alle).
Ich habe also viel Vertrauen in diesen Verschwörungsthriller, in dem Brown Xavier Collins, den Sicherheitschef des US-Präsidenten (James Marsden), spielt. Es kommt, wie es in diesen Serien kommen muss. Der Präsident wird tot aufgefunden, als erstes im Visier der Ermittelnden: Sicherheitschef Collins, der den Präsidenten zuletzt lebend gesehen hat. Plötzlich geht es nicht mehr nur um Politintrigen und nationale Sicherheitsbelange, sondern Collins und seine Familie werden selbst zur Zielscheibe. Ein großes Plus: Julianne Nicholson (Mare of Easttown) mischt als dubiose Gegenspielerin im grauen Zweiteiler mit.
Hinter der Serie steckt der Autor und Erschaffer von This Is Us, Dan Fogelman, der es erstens versteht, verschiedene Handlungsstränge spannend zusammenzuweben und zweitens darauf achtet, dass das Zwischenmenschliche nicht zu kurz kommt.
Läuft auf: Disney+
Mythic Quest S4 (29.1.)
Ganz ohne Comedy geht’s bei mir nicht, umso besser, dass einer meiner Favoriten zurückkommt: die Workplace-Sitcom über die Mitarbeitenden der fiktiven Computerspiel-Firma Mythic Quest. Es versammeln sich sämtliche Archetypen, was mich ausnahmsweise nicht im geringsten stört: das geniale Arschloch, das sich ständig mit seiner Nummer zwei, der nerdigen Programmierin, in den Haaren liegt; der schleimige CEO mit seiner fatal ambitionierten Assistentin, der böswillige BizDev und ein völlig überarbeitetes Grafik-Team.
Die Serie von und mit Rob McElhenney, einem der Hauptdarsteller des entweder geliebten oder gehassten It’s Always Sunny in Philadelphia, kann man in einem wegsnacken (was ich über Sunny nicht sagen kann). Die Serie steigert sich von Staffel zu Staffel, die vierte ist ausgezeichnet und zeigt, was alles passieren kan, wenn man Serien nicht nach einer Season beerdigt.
Das einzige, was ich nachhaltig irritierend fand: Rob McElhenney hat sich in den vergangenen Jahren optisch immer mehr an seinen besten Freund Ryan Reynolds angeglichen, in der vierten Staffel in einem Ausmaß, das wohl nur chirurgisch erreicht werden konnte. Verzeiht diese Verirrung in Oberflächlichkeiten, aber damn – das war hart anzuschauen.
Hier der Trailer zur 4. Staffel:
Läuft auf: Apple TV+
The Recruit S2 (30. 1.)...
…ist im Endeffekt The Night Agent in grün, vielleicht ein bisschen charmanter. Owen Hendricks kommt als Anwalt zur CIA und stolpert zielsicher und ungebrieft direkt in die Schusslinie irgendwelcher Staatsfeinde. In Staffel 2 verschlägt es Hendricks für einen Einsatz nach Südkorea, wo er zusammen mit Top-Spion Jang Kyun (Teo Yoo) einen kriegsähnlichen Konflikt verhindern soll. Die Probleme liegen jedoch daheim bei der CIA und nicht in Südkorea. “Er ist völlig außer Kontrolle!” Noch eine panische Einsatzleiterin mit einem Asset, das nicht mehr auf ihre Kommandos hört.
Warum ich das noch ein bisschen lieber schaue als The Night Agent: Noah Centineo aka Millennial-Frauenschwarm Peter Kravinsky aus To All the Boys I Loved Before hat deutlich mehr Charme und Charisma als der Nachtagent.
Bin ich alt genug, um zu schreiben, dass er mich an einen jungen George Clooney erinnert? Anscheinend. Im Hintergrund ziehen außerdem die Macher von Titeln wie The Rookie und Bourne Identity die Fäden – das hilft auf jeden Fall.
Fun Fact: Teo Yoo kannte ich bislang nur aus Past Lives, dem oscarnominierten Drama von Celine Song, in dem er den Jugendfreund spielt.
Der deutsch-südkoreanische Schauspieler ist in Köln geboren und bevor er sein Abi am Georg-Büchner-Gymnasium in Weiden machte, war er in der Unterstufe an einer Schule in Bonn-Bad Godesberg. Ebenfalls in Bonn-Bad Godesberg zur Schule gegangen: die Autorin dieses Newsletters.
Läuft auf: Netflix
Wolfs (jetzt online)
A pros pos: Brad Pitt und George Clooney in einem Film, das wäre zu meinen Bonn-Bad Godesberger Zeiten ein sicherer Samstagabend mit meiner Familie oder meinen FreundInnen im Kinopolis gewesen. Heute ist Wolfs Top-10-Ware bei Apple TV+ und wurde, als er nicht performte, ungeniert aus den wenigen US-Kinos gezogen, in denen er ausgespielt wurde.
Es geht um zwei Männer, die sich beruflich darauf spezialisiert haben, Leichen verschwinden zu lassen. Eines Abends werden sie beide zum selben Einsatz gerufen: eine New Yorker Staatsanwältin muss einen toten Escort-Boy loswerden.
Der Film ist für mich ein klassischer Clooney: zwei coole Einzelgänger in schwarzen Lederjacken, die Dinge sagen wie: “Niemand kann tun, was ich tue.” Männer, die mit halbautomatischen Waffen in Sechzigerjahre-Frühstückslokalen rumballern, aber moralisch doch auf der richtigen Seite der Geschichte stehen. Nicht ganz Coen-Brüder-Niveau, aber unterhaltsam genug, um für 1:47h das Handy wegzulegen. “Tut niemandem weh”, lautete der Befund eines Freundes. Was allerdings wehtut: Die fehlende Diversität in der Besetzung.
Läuft auf: Apple TV+
Wo ich reinschauen werde:
High Potential (23. 1.)
Heute ist irgendwie alles miteinander verbunden. Also: Kaitlin Olson gehört zu der schwer aushaltbaren Truppe von It’s Always Sunny in Philadelphia. Nachdem die unterschätzte Comedy-Serie The Mick nach drei Staffeln eingestellt wurde und sie in Hacks nur in einer Nebenrolle zu sehen ist, bekommt sie hier wieder eine größere Plattform.
Olson spielt eine alleinerziehende Mutter, die nachts als Reinigungskraft in den Gebäuden der lokalen Polizei putzt. Als sie beim Aufräumen die Unterlagen auf einem Schreibtisch durcheinander bringt, erkennt sie ein Muster, das den Ermittlern entgangen ist. Sie löst den Fall und es stellt sich heraus: Sie hat einen IQ von 160. Zum Ärger des leitenden Ermittlers wird sie von der Polizeichefin als Beraterin eingestellt. Folge für Folge müssen die beiden nun zusammenarbeiten – und kommen sich dadurch doch irgendwie näher.
Die Serie, gerade verlängert um eine weitere Staffel, beruht auf dem französischen Titel HIP: Haute Potential Intellectuel, der sehr erfolgreich war und derzeit beim NDR und in der ARD Mediathek zu sehen ist.
Läuft auf: Disney+
Problemista (30. 1.)
Den Debütfilm von Julio Torres, Comedian, SNL-Autor und Schauspieler, wollte ich 2023 beim South by Southwest Festival in Austin schauen, aber die Schlange war so lang und ich so müde, dass ich dachte: Das schaue ich in Ruhe, wenn der Film ins Kino kommt. Tja, kaum ein Titel wurde wegen der Streiks so viel hin und hergeschoben wie Problemista.
Es geht um einen jungen Spieleentwickler (Torres) aus El Salvador, der ein Visum für die USA braucht. Er hat vier Wochen Zeit, einen Sponsor dafür zu finden und gerät in seiner Not an eine affektierte, überkandidelte Kunstkritikerin, gespielt von Tilda Swinton. Ein Hindernislauf durch die Behörden und New York beginnt.
Läuft auf: WOWTV
NOSTALGIE-WATCH:
Nosferatu (1922)
Ich hab’s ja nicht so mit Horror, aber manchmal setze ich mich der Angst aus, wenn der popkulturelle Wert hoch und meine Einflussnahme auf die Programmauswahl niedrig ist (ehrlich gesagt: nur dann). Jedenfalls habe ich den aktuellen Nosferatu von Robert Eggers geschaut und davon abgesehen, dass der Film bei einer Laufzeit von 137 Minuten 40 weniger vertragen könnte, war ich generell ein wenig unterenthusiastisch. Klar, es sah alles schön aus und der Sound war toll, ist ja ein Eggers.
Am Ende geht es aber nach wie vor um einen uralten Typen, der einer 18-Jährigen hinterhergeiert. Langweilt mich weiter, sage ich da gerne, vor allem jenen, die mir jetzt mit “tolle Liebesgeschichte” kommen.
Die Anspielungen auf das Original fand ich wiederum sehr gelungen, an alles kann ich mich aber nicht erinnern. Ich habe den Film mit 14 bei einem Videoabend mit FreundInnen gesehen, in einer Zeit, in der man sich traf, um in einem Rutsch Blair Witch Project, Der Ring, Das Geisterschiff und Die Neun Pforten zu schauen. Diese Wochenenden in der Mittelstufe sind vermutlich der Grund, warum ich ein Problem mit Horror habe. Nun ja, ich habe den Film ganz nonchalant verlinkt.
Das war’s, ab jetzt gibt es wieder regelmäßiger Post von mir, versprochen.
HAPPY NEW YEAR!
Die Regeln mache immer noch ich.

Sterling K. Brown und ich haben ein Date am Wochenende btw