Im November wird’s erfahrungsgemäß draußen ungemütlich und drinnen vorm Fernseher hochwertig. Wir gehen deswegen direkt rein (und teilen die Vorschau dieses Mal in zwei Teile):
My Old Ass (7.11.)
Coming-of-Age-Filme sind ja immer in Mode. Ich verstehe schon, Erwachsen werden ist der kleinste gemeinsame Nostalgie-Nenner und gäbe es eine Newsletter-Folge dazu, fielen mir auf Anhieb ein paar sehr gute allein aus den vergangenen Jahren ein (Ladybird, Booksmart, Moonlight) und ein paar schlechte (Don’t @ me: Licorice Pizza). Mit den vielen Millennials, die auf dem Weg in die Midlife-Crisis sind, werden es vermutlich nicht weniger.
Auf My Old Ass freue ich mich besonders, weil die Dramedy uns erstens Audrey Plaza (aktuell in Agatha All Along, zuvor unter anderem in White Lotus und Parks & Rec unverpassbar) in einer Hauptrolle beschert und zweitens die interessante Frage stellt: Was würde passieren, was würde man fragen, wenn das 20 Jahre ältere Ich auf einmal gegenübersteht? Und welchen Rat würde man seinem jüngeren Ich geben, wovor würde man sich selbst bewahren wollen?
Konkret passiert Folgendes: Die 18-jährige Elliott (Maisy Stella, vllt bekannt aus Nashville) verbringt den Sommer vorm College bei ihren Eltern in einer kanadischen Kleinstadt. Als sie mit Freundinnen Pilze nimmt, hat sie den Drogentrip ihres Lebens: Plötzlich sitzt neben ihr sie selbst – als 39-jährige Frau. Es folgt ein Sommer voller Abenteuer und Abschiede, in dem Elliott und Elliott ihre Identität verhandeln: jugendhafter Schmelz gegen zynische Erkenntnis.
Es geht um die kleinen Dinge (“Du kannst nicht ich sein, ich habe keine Zahnlücke” – “Ja, du hättest deine Spange häufiger tragen sollen”) und die existenziellen (“Nimm dich vor einem Typen namens Chad in Acht”). Wobei, was red ich, mit 18 gibt es nur existenzielle Themen. Der Film premierte dieses Jahr beim Sundance-Festival zu sehr positiven Reviews. Es ist erst das zweite Feature von Autorin und Regisseurin Megan Park, aber hoffentlich nicht das letzte.
Läuft auf: Amazon Prime
Bad Sisters S2 (13.11.)
Ich kann nur Gutes über die schlechten Schwestern auf Apple TV+ berichten. Mein Lob soll nicht inflationär wirken, ich empfehle in diesem Newsletter grundsätzlich nur für akzeptabel Befundenes. Deswegen kurze qualitative Einordnung: Die erste Staffel Bad Sisters gehört zu den Top 3 Serien, die ich 2023 gesehen habe.
Es geht um fünf irische Schwestern, alle mehr oder weniger erwachsen, die sich lange nach dem Tod ihrer Eltern eng verbunden sind. Was das Schwesternglück trübt: der verhasste Ehemann der zweitältesten Grace, von allen Eingeweihten nur “das Ekel” genannt. Als JP (Claes Baeng aus The Square) Grace immer mehr isoliert, schmieden die übrigen vier Schwestern einen mörderischen Plan: Der Alte muss weg. (Übrigens, die letzte TV-Figur, die so abgrundtiefen Hass in mir ausgelöst hat, war Game of Thrones-Knilch Joffrey Baratheon.) In den folgenden Episoden versuchen alle vier, den schlimmsten Schwager der Welt um die Ecke zu bringen.
Es könnte ein wunderbar Mord nach Plan werden, aber natürlich gibt es irgendwo noch einen aufmerksamen Versicherungsunternehmensbesitzer, der die Fährte der Schwestern aufnimmt, weil er die Police nicht auszahlen will. Und die ein oder andere verhängnisvolle Affäre.
Definitiv nicht überspringen: das Intro zu Bad Sisters S1. Zu hören ist PJ Harvey mit einem Leonard Cohen-Cover.
Was die Emmy-nominierte, aber leider nicht prämierte Serie so herrlich macht: der schwarze Humor. Das Setting in Irland. Der fantastische Cast um Autorin und Hauptdarstellerin Sharon Horgan aka Irlands beste SchauspielerInnen: Anne-Marie Duff, Eve Hewson, Eva Birthistle und Sarah Greene, dazu ein Gleeson-Bruder und Daryl McCormack (Good Luck to You, Leo Grande). Und eine Geschwister-Dynamik, die man so selten im Fernsehen sieht.
Den einzigen Vorbehalt, den ich habe: Für mich war der Stoff eigentlich auserzählt. Ich bin gespannt, wie sie das weiterdrehen wollen und hoffe sehr, dass es sich nicht nach “künstlich am Leben gehalten” anfühlt.
Läuft auf: Apple TV+
Silo S2 (15.11.)
Diese Serie ist was für Dystopie-Fans. Wir starten ganz klassisch: Ein rätselhafter Mord bringt den Alltag der letzten Menschen durcheinander. In dieser postapokalyptischen Welt befinden sich rund 10.000 Überlebende in einem unterirdischen Silo, einer Art gigantischem Kessel mit Hunderten Etagen. Unten schuften die ArbeiterInnen am Heizofen, auf den besseren Ebenen befinden sich die dubiose Justiz und noch undurchsichtigere Sicherheitsleute. Die Außenwelt ist nach einer Katastrophe nicht belebbar, so wird es den Bewohnenden eingetrichtert.
Im Mittelpunkt steht die Ingenieurin Juliette Nichols (Rebecca Ferguson aus Dune) aus den niederen Leveln, die als neue Polizeichefin berufen wird. Sie soll aufklären, warum ihr Vorgänger Holston (David Oyelowo) das Silo verließ, um draußen im toxischen Wasteland den sicheren Tod zu finden. Warum ihr Partner sich Dutzende Geschosse in die Tiefe stürzte. Doch was sie an die Oberfläche befördert (sorry, not sorry), bringt das ganze System des Bürgermeisters (Tim Robbins) ins Wanken.
Basierend auf einer Bestseller-Romantrilogie hat Silo mich erst sehr gefesselt und dann ein bisschen frustriert. Es ging nicht schnell genug voran, ich kann sehr schlecht aushalten, wenn Geheimnisse über Monate nicht aufgelöst werden (Severance, looking at you). Hoffentlich wird das in Staffel 2 jetzt anders.
Das ist die zweite hochwertige Serie diesen Monat, die auf Apple TV+ zurückkehrt und mit Blick auf die Empfehlungen von Oktober das Streaming-Abo, das sich momentan am meisten lohnt.
Läuft auf: Apple TV+
Wo ich reinschauen werde:
The Old Man S2 (6.11.)
Die erste Staffel hat mir ganz gut gefallen: Jeff Bridges als pensionierter CIA-Agent, den plötzlich alte Geister besuchen bzw. abknallen wollen. John Lithgow als sein Gegenspieler. Ein, zwei vernünftige Plot Twists. Ein bisschen Ramontik und zwei Rottweiler, die nur auf deutsche Kommandos hören – ich war ganz angenehm an Auf der Flucht mit Harrison Ford, Staatsfeind Nr. 1 mit Will Smith und Homeland erinnert.
Aaaber: Die letzten zwei Folgen der ersten Staffel wurden mir ein bisschen zu durcheinander und zu unlogisch. Ich wusste nicht mehr so richtig, was mir warum wichtig sein muss. Wenn ich ganz ehrlich bin, kann ich mich ans Finale nicht mehr genau erinnern. Noch ein Aber: Weil mir die ersten Folgen sehr gut im Kopf geblieben sind und ich so Verfolgungskram mag, werde ich der zweiten Staffel noch mal eine Chance geben. Sind eh nur sieben Episoden.
Läuft auf: Disney+
The Day of the Jackal S1 (7.11.)
Ein britischer Thriller basierend auf einem Buch von Frederick Forsyth aus den Siebzigern – ok. Eddie Redmayne in der Rolle eines kaltherzigen Killers – hm. Ich bin eigentlich kein Fan. Als Newt Scamander in den Harry Potter-Spinoff-Spektakeln Fantastische Tierwesen hat Redmayne mich bestenfalls gelangweilt. Aber es ist kalt draußen und die Liste an neuen Thriller-Serien kurz, deswegen werde ich wohl reinschauen und Bericht erstatten, falls es Don’t miss-TV sein sollte.
Läuft auf: Wow/Sky
Auf jeden Fall sehenswert: die Psychothriller-Serie Dark Winds.
Nostalgie-Watch:
Practical Magic aka Zauberhafte Schwestern (jetzt verfügbar)
Ich weiß, ich habe gesagt, keine Halloween-Ware. Das liegt daran, dass ich keinen Horror schauen kann. (GastautorInnen, meldet euch bei mir!) Habe ich gelernt, als ich mit 14 im Kino war, weil eine Freundin fand, Blair Witch Project könnte was für mich sein. Mein Kompromiss für Halloween, bzw. eigentlich jede Jahreszeit ist Practical Magic von 1998, ausnahmsweise auf deutsch mit einem halbwegs vernünftigen Titel: Zauberhafte Schwestern.
Es geht um zwei Schwestern – in den Rollen ihres Lebens: Nicole Kidman und Sandra Bullock – die zwar sehr unterschiedlich sind, aber eins gemeinsam haben: Sie sind Hexen. Als die Kidman-Schwester ihren toxischen Freund umbringt, hilft ihr die Bullock-Schwester, ihn mit dunkler Zauberei wiederzubeleben. Dass das keine gute Idee ist, wissen wir spätestens seit Frankenstein.
Der Film fühlt sich eher wie ein Märchen an: zauberhaft, mit ein bisschen Grusel und Happy End. Außerdem ist es natürlich Neunziger-Core, von den Spaghetti-Tops bis zum Stevie Nicks-Faith Hill-Soundtrack.
Läuft auf: Ist derzeit leider nur als Kauftitel erhältlich, aber ein Klassiker, insofern.
Regie führte Griffin Dunne, dessen Memoir ich gerade gelesen habe: The Friday Afternoon Club. Dunne ist das Patenkind von Joan Didion und der Sohn von Vanity Fair-Starreporter Dominick Dunne. Er war schon mit zehn grasrauchend auf den rauschenden Festen seiner Eltern, best Friends mit Star Wars-Legende Carrie Fisher und ein Hans Dampf im alten Hollywood. Die Autobiographie ist aus Gründen nicht ganz so zauberhaft, aber die lege ich als Empfehlung noch oben drauf.
Old man 2 ist draussen? Yay! Da freu ich mich! Fand die ersten paar Episoden brillant! Aber stimmt, ans Ende kann ich mich auch nicht mehr erinnern 🤣
Ich, ich, ich (vllt. Gastautorin 😉) kann Horrorfilme schauen und dabei laut schreien 🎃