Ich habe ein paar ganz miese Sehgewohnheiten. Ich bin grundsätzlich an allem interessiert und habe ein überdurchschnittliches Durchhaltevermögen. Beispiel: Ich habe Neighbours 1 und Neighbours 2 gesehen (zu meiner Verteidigung, das war im Flieger). Manche Dinge muss ich s o f o r t sehen, gleichzeitig gibt es nur wenige Titel, von deren Eventcharakter ich mich mitreißen lasse.
The White Lotus und House of Dragon, offensichtlich. Ein anderes Beispiel: Only Murders in the Building. Die vierte Staffel ist wieder deutlich besser, Episode drei war eine der besten Streaming-Stunden der vergangenen Wochen. The Rings of Power verpasse ich auch selten, allerdings aus Gründen, die mich an meine Krisen-geprüfte Beziehung zum 1. FC Köln erinnern: Man geht in jeder Klasse ins Stadion, das Niveau variiert während der Saison stark und man hofft ständig auf den Aufstieg. Am Ende bleibt man Fan aus Nostalgiegründen.
Das als Vorwort zu meiner Auswahl im Oktober, die zwar halbwegs aktuell ist, aber eben auch Jahreszeiten-angepasst.
Nobody Wants This (jetzt online)
Millennials, diese Serie ist für euch: Sex-Podcasterin und Atheistin Joanne (Kristen Bell, für immer mein Gossip Girl) trifft zufällig auf Noah (Adam Brody, unsterblich als Seth Cohen aus The OC), einem Rabbi, der sich kurz zuvor aus einer Langzeitbeziehung gelöst hat. Die von Hindernissen geplagte Romanze lebt von der Chemie zwischen den beiden, den Aufnahmen aus Los Angeles und dem größten Märchen überhaupt: Dass zwei sehr unterschiedliche Menschen Ende 30 in einer Großstadt trotz familiären Ballasts und Bindungsängsten zueinander finden – wenn das nicht von Berlin bis Bielefeld Anlass zur Hoffnung gibt, dann weiß ich auch nicht. (Um euch den Eintrag im Google-Verlauf zu ersparen: Adam Brody ist nach wie vor verheiratet mit Gossip Girl’s Leighton Meester).
Der Stoff basiert lose auf der wahren Liebesgeschichte von Podcasterin und Nepo-Baby Erin Foster, was dem ganzen nur zuträglich ist. Mich freuen außerdem so Kleinigkeiten wie Gastauftritte von befreundeten KollegInnen aus Veronica Mars und The Good Place. Tovah Feldshuh (Walking Dead, Crazy Ex-Girlfriend) als potenzielles Schwiegermonster ist ein weiteres Highlight. Die zehnteilige RomCom wird auf jeden Fall top platziert in den Netflix-Charts enden. Wer ein Faible für schnelle Dialoge und leicht stereotype Frauenfiguren im Mean Girls-Modus hat oder einfach bei der Serie des Monats sprachfähig sein will, schaut auf jeden Fall mal rein (und dann vermutlich auch zu Ende).
Läuft auf: Netflix
How to Die Alone (jetzt online)
Viel, viel bescheidener als Nobody Wants This und mit deutlich mehr Millennial-Misere schlägt sich Natasha Rothwell (Insecure, White Lotus) als Mel durchs Leben. Die Angestellte beim JFK Flughafen in New York dümpelt einsam durch ihre Tage. Nachdem sie an ihrem Geburtstag alleine feiernd von einem Ikea-Regal erschlagen wird und für drei Minuten tot ist, ändern sich ihre Ambitionen: neue FreundInnen, mehr Liebe, eine Karriere, mehr Ehrlichkeit, mehr Abenteuer. Das war eine kleine, feine Serie, von der es hoffentlich noch eine zweite Staffel geben wird.
Läuft auf: Disney+
Ali Wong: Single Lady (8.10.)
Ich habe mit Ali Wong noch nie eine schlechte Zeit gehabt, Punkt. Ich mochte ihr Comedy-Special Baby Cobra und ich mochte das Emmy-ausgezeichnete Beef und ich bin mir sicher, ich werde dieses Special, in dem sie ihre Scheidung verarbeitet, ebenfalls mögen. Vom Ehe-Glück zum Ehe-Ende zum Daten als Alleinerziehende – wenn’s doch nur wirklich so witzig wäre und mit Bill Hader enden würde.
Läuft auf: Netflix
Love is Blind, Habibi (10.10.)
Es ist nicht so, dass ich kein Love is Blind-Fan wäre, aber ich fand die letzten Staffeln ein bisschen … errr langweilig? Ich werde um die nächste Staffel – diesmal aus Washington D.C. – vermutlich nicht herumkommen, aber viel interessanter finde ich Love is Blind, Habibi. Das Reality-TV-Format, bei dem die KandidatInnen sich getrennt voneinander in einem Studio kennenlernen und verloben, ohne sich vorher zu sehen, wurde mit arabischen Teilnehmenden in Dubai gedreht. Bislang waren die Formate außerhalb der USA deutlich berührender (LIB Schweden <3) und weniger eine Plattform für kurzlebige InfluencerInnen und die lahme, nun ja, Moderation des Ehepaars Lachey. Wie meine Newsletter-Kollegin Saba sagen würde: “I. am. seated.“
Läuft auf: Netflix (Love is Blind Staffel 7 aus D.C. läuft in vier Häppchen aufgeteilt ab dem 2.10.)
Hacks S3 (ab dem 15.10.)
Ich habe mich ja bereits als Hacks-Ultra positioniert und kann die mehrfach ausgezeichnete Dramedy über eine alternde Stand-up-Comedienne in Las Vegas, die von ihrem Management überredet wird, mit einer neuen Gag-Schreiberin zusammenzuarbeiten, vorbehaltlos empfehlen. In Staffel drei arbeiten Deborah Vance (Jean Smart) und Ava Daniels (Hannah Einbinder) wieder zusammen, diesmal an einer Late Night Show. Zwei im besten Sinne komplizierte Frauen, die mit ihren Perspektiven und Marotten aufeinandertreffen und trotzdem einsehen müssen, dass sie am besten im Duett funktionieren, on and off stage. Die drei CreatorInnen Jen Statsky, Lucia Aniello und Paul W. Dowens arbeiten seit Broad City zusammen, was vielleicht erklärt, warum Regie und Drehbuch so wunderbar eingespielt ineinandergreifen. Hacks hat am Montag mit den Dreharbeiten für Staffel vier begonnen (Launch: Mai 2025). Da die MacherInnen Hacks als 5-Staffel-Serie inklusive letzter Episode gepitcht haben, müsste es schon mit dem Teufel zugehen, wenn es nicht auch noch eine weitere Staffel gäbe.
Läuft auf: RTL+ (Staffeln 1-2 laufen auf Netflix)
Shrinking S2 (16.10.)
Ich schaue diese Serie vor allem wegen Harrison Ford. Nicht, weil Indiana Jones V so toll gewesen wäre, sondern weil es mich freut, dass er mit 82 Jahren noch mal sein Talent für Komisches entdeckt. Shrinking ist eine Mischung aus Workplace-Comedy und Familiendrama: Therapeut Jimmy (Jason Segel) verliert überraschend seine Ehefrau bei einem Unfall. Doch anstatt sich um seine Tochter zu kümmern und mit dem Verlust auseinanderzusetzen, lenkt er sich mit Koks und Escortdamen ab (eine Möglichkeit der Trauerbewältigung, I guess). Bei der Arbeit läuft es auch nicht besser: Überfordert von seiner eigenen Situation, überschreitet er sämtliche Grenzen.
Verantwortlich für die Show ist unter anderem Bill Lawrence, der seit Scrubs auf Comedy-Serien mit ernsten Zwischentönen spezialisiert ist. Lawrence hat bereits einige sehenswerte Shows für AppleTV+ entwickelt: das allseits beliebte Fußball-Good-Feel-Spektakel Ted Lasso und die in Florida spielende Crime-Comedy mit Vince Vaughn, Bad Monkey.
Läuft auf: AppleTV+
The Diplomat S2 (31.10.)
The Diplomat würde ich als exzellente 2+-Show beschreiben, einen Titel, mit dem man das Loch stopfen kann, das House of Cards und Borgen hinterlassen haben. Härter als Madam Secretary, weniger existenziell als Homeland. Kerry Russell (The Americans) und Rufus Sewell (war gerade im ebenfalls 2+-Netflix-Movie Scoop zu sehen) sind in Staffel 1 überraschend als Botschafter-Ehepaar nach London gezogen. Intrigen, internationale Konflikte, Machtspielchen – alles da, was ich von einer Show erwarte, die von Deborah Cahn stammt und zu deren Credits unter anderem Homeland und The West Wing gehören. In Staffel 2 ist außerdem Oscarpreisträgerin Allison Janney mit von der Partie. Allein das sollte für eine weitere Season mit der Note 2+ reichen; mindestens.
Läuft auf: Netflix
Wo ich reinschauen werde:
Drive-Away Dolls (10.10.)
Zwei lesbische Freundinnen planen einen Roadtrip durch die Staaten, doch aufgrund einer Verwechslung fahren sie mit einem Auto los, das eigentlich für ein paar ominöse Kriminelle reserviert war. Die Rezensionen waren so mixed-positiv, als der Film Anfang des Jahres im Kino lief. Aber ein Cohen-Bruder involviert und ein interessantes Cast um Margaret Qualley, Colman Domingo und Pedro Pascal sind für mich genügend Gründe, mich auf diese queere Buddy-Comedy zu freuen.
Läuft auf: WOW/Sky
Disclaimer (ab 11.10.)
Ein Teil der Strategie von AppleTV+ ist, die größten Stars für die hauseigenen Produktionen zu verpflichten. Allein im Oktober starten bei der Platform zwei Thriller-Serien, in denen fast ausschließlich OscarpreisträgerInnen gecastet wurden. Los geht’s mit Disclaimer, einem siebenteiligen Psychothriller mit Cate Blanchett, Sacha Baron Cohen and Kevin Kline. Regie führt der fünfmalige Oscargewinner Alfonso Cuarón (Gravity, Roma), Musik kommt von Billie Eilishs Bruder Finneas O’Connell, ebenfalls Oscar-prämiert. Es geht um eine erfolgreiche Investigativ-Journalistin, die plötzlich selbst Protagonistin eines Enthüllungsbuchs wird. Als sie mit ihrer dunklen Vergangenheit konfrontiert wird, macht sie sich daran, den Autoren zu finden. Mehr muss ich eigentlich nicht wissen über diese Buchverfilmung – bin ich dabei.
Läuft auf: AppleTV+
Rachel Bloom: Death, Let Me Do My Special (15.10.)
Rachel Bloom hat mich dazu bekommen, vier Staffeln Crazy Ex-Girlfriend zu sehen, eine satirische Comedy mit musikalischen Einlagen, die mentale Gesundheit thematisiert. Klingt, als würde es nicht zusammenpassen, funktionierte aber zumindest die ersten Staffeln ganz hervorragend. Seither habe ich sie viel zu wenig gesehen, das letzte Mal in dem zu schnell gecancelten Reboot und in dem scheußlichen Your Place or Mine. Mit ihrem Comedy-Programm war sie 2023 auf Tour und hat sehr gute Kritiken bekommen. Ich bin gespannt, wie sie unter anderem den Tod ihres Songwriting-Partners Adam Schlesinger während der Pandemie verarbeitet und wie sich ihr Ton fast zehn Jahre nach CXG verändert hat.
Läuft auf: Netflix
The Office Australia (18.10.)
Da bin ich ein bisschen nervös. Die Versionen aus dem UK und den USA waren sehr unterhaltsam, doch der Aussie-Trailer sah so meh aus. Aber ich mag den australischen Akzent und die Franchise zu sehr, um nicht reinzuschauen.
Läuft auf: Amazon Prime
Before (ab 25.10.)
Billy Crystal und Judith Light in einem übernatürlichen Psycho-Thriller, executive-produziert unter anderem von Drehbuch-Legende Eric Roth (kleiner Auszug: Forrest Gump, Benjamin Button, A Star is Born, Dune)? Bin ich auf jeden Fall interessiert. Es geht um einen kürzlich verwitweten Kinderpsychiater (Crystal), der einen Jungen behandelt, dessen Trauma ihn in seine eigene Vergangenheit führt. Insgesamt zehn Folgen, jeden Freitag gibt es eine neue. Hoffentlich halten sie das durch.
Läuft auf: AppleTV+
Martha (30.10.)
Eine Dokumentation über Martha Stewart, hm, eigentlich nicht zwingend mein Stoff. Aber der Film von R.J. Cutler (The September Issue über Anna Wintour und aktuell Elton John: Never Too Late) wurde beim Telluride Film Festival relativ gut besprochen. Gossip: Angeblich war Stewart selbst nicht so angetan und spricht mittlerweile schlecht über die Doc (nachdem sie mit dem Netflix-Jet zur Premiere flog, lol), was ich als Qualitätsmerkmal verbuche.
Läuft auf: Netflix
Wiedervorlage:
Industry S3 (30.10.)
Irgendwie war mir die erste Staffel zu hart. Ich kann nur bedingt Investmentbankern beim Overdosen zuschauen, ohne irgendwas mit Nicole Kidman zwischenzuschieben. Aber die dritte Staffel wird gerade so gehyped und hat Kit Harrington an Bord (der Norden erinnert sich: Jon Snow) und hey, ich habe auch zwei Anläufe für The Wire gebraucht. Im Endeffekt ist die Serie eine Mischung aus Grey’s Anatomy und Succession mit mehr Sex und noch mehr Drogen: Eine Gruppe neuer, überambitionierter MitarbeiterInnen versucht, sich bei der multinationalen Investmentbank Pierpoint & Company in London durchzusetzen – ohne Rücksicht auf Verluste. Alle bewegen sich ständig und ausschließlich in legalen und moralischen Grauzonen, was einer der Gründe ist, warum mir die Serie irgendwann zu stressig wurde – bzw. warum ich wieder reinschalte.
Läuft auf: WOW/Sky
Nostalgie-Watch:
Hook (1991, jetzt online)
Der Tod von Dame Maggie Smith hat mich diese Woche traurig gemacht und auch wenn ich sie sehr in Harry Potter und Downton Abbey mochte, werde ich am langen Oktoberwochenende Hook schauen. Hook ist einer dieser Filme, die mich als Kind zutiefst beeindruckt haben, Spielberg-Williams-Neunziger-Core (mein Bruder und ich können heute noch jede Szene nacherzählen, neulich schickte er mir kommentarlos diesen Clip). Robin Williams als gealterter Peter Pan, der sich erinnern muss. Dustin Hoffman als übergeschnappter Captain Hook. Julia Roberts als eifersüchtige Tinkerbell und natürlich Smith als die Wendy Darling. Hach.
Läuft bei: MagentaTV oder ist als Kauftitel erhältlich
Okay, ich mach jetzt noch einen Industry-Rewatch (der dritte dieses Jahr) und dann ist’s hoffentlich bald soweit.
Kristen Bell war die Stimme von Gossip Girl? Hab ich unterm Stein gelebt?