Der Februar war voll mit rückkehrendem Prestige-TV:
zweite Staffel Severance
dritte Staffel White Lotus
dritte Staffel Yellowjackets
Während das theoretisch sehenswerte Formate sind, hat mich bislang nur Severance so richtig gepackt. In den Rest komme ich nicht rein. Vielleicht, weil der schreckliche Februar mich emotional betäubt hat, vielleicht, weil Venus rückläufig ist, vielleicht aber auch, weil White Lotus und Yellowjackets sich nicht kontinuierlich weiterentwickeln. Wer weiß das schon.
Als Konsequenz kommen hier 3 Serien, die komplett neu sind – für alle, die mal wieder Etwas spüren wollen.
Running Point (jetzt online)
Die Basketballmannschaft Los Angeles Waves wird seit jeher von den Männern der Gordon-Familie geführt. Zuletzt eher so mittelerfolgreich, ob das Team die Playoffs erreicht, ist völlig unklar. Als der älteste Bruder und Club-Präsident wegen eines handfesten Drogenproblems im Entzug landet (“I love crack, it’s great”), beruft er überraschend seine kleine Schwester Isla als Interims-Chefin. Brüder, Basketballer und Branche sind völlig entsetzt, dass dieses ehemalige Partygirl, diese überkandidelte Blondine jetzt das Sagen hat.
Kate Hudson als Isla ist übrigens ein sensationelles Meta-Casting: Wenn jemand die Rolle als unterschätztes Blondchen nur zu gut nachvollziehen kann, dann Hudson. (Und ich).
Ich habe ein großes Herz für derlei “Fish out of water”-Prämissen und empfinde eine noch größere Zufriedenheit dabei, wenn Isla im Clubhaus taktisch durchfeudelt und erst den störrischen Point Guard auf Kurs bringt und gleichzeitig ihre nutzlosen Brüder in Schach hält.

Rache für Weiberfastnacht, als ein angesäuselter Finanzberater in Kapitänskostüm folgenden, legendär unverschämten Satz zu mir sagte: “Du kannst doch gar nicht wissen, was ein Libero ist, weil du eine Frau bist.” Direktes Zitat. Geburtsjahr 1994.
Ich geriet gegen meinen Willen in die Defensive* und bemühte Lothar Matthäus als Beweis, woraufhin der Kapitän nachlegte: “Nein, Lothar Matthäus hat nie Libero gespielt.” Let that sink* in! Einmal das Selbstbewusstsein eines weißen, 1,96 Meter großen, druckbetankten* 30-Jährigen haben. Ich schweife ab, aber wenn jemand auf diesen Austausch ein guter Konter* einfällt, kontaktiert mich per Mail oder schreibt es in die Kommentare, dann können alle was lernen.
Zurück zu Running Point: Mindy Kaling hat von der Entwicklung bis zu den Drehbüchern überall die Finger drin und kann in meinen Augen nichts falsch machen. The Office, The Mindy Project, Late Night, Never Have I Ever – Kaling ist für mich sowas wie ein besserer Seth Rogen. Mainstream-taugliche Comedy, bei der es hin und wieder schlüpfrig aber nicht vulgär wird.
Wird diese Serie die Welt verändern? Nein. Würde ich trotzdem fünf Staffeln schauen? Hundertprozent. Die News, dass es eine zweite Staffel geben wird, kamen gerade rein, ich bin also nicht die einzige, die dranbleiben würde.
Kalings Autobiographien über ihre Anfänge bei The Office “Is Everyone Hanging Out Without Me” und in Hollywood “Why Not Me” kann ich im Übrigen auch sehr empfehlen.
*all ship and soccer puns intended
Läuft auf: Netflix
Dope Thief (14. 3.)
Manchmal braucht es nur einen bestimmten Grauton im Trailer und man weiß sofort, wohin die Reise geht. In Dope Thief befinden wir uns in Philadelphia, dem fiesen Teil, der auch als Baltimore in The Wire cosplayen könnte. Zwei kleinkriminelle Freunde haben folgenden Plan: Sie wollen als Drogenfahnder verkleidet Razzien durchführen und bei kleineren Dealern Bargeld einsammeln. Zufällig nehmen sie das falsche Meth-Labor hops – und haben bald nicht nur eine der größten Verbrecherorganisationen sondern auch die tatsächliche Drogenfahndung an den Hacken.
Den Vergleich zu The Wire wird Dope Thief sicher häufiger hören und die Serie könnte durchaus ein Fix für das Idris Elba große Loch werden, das The Wire hinterlassen hat (kleiner Joke: n i c h t s kann The Wire ersetzen). Die Chemie zwischen Brian Tyree Henry (Atlanta, If Beale Street Could Talk) und Wagner Moura (Narcos, Civil War) stimmt auf jeden Fall; Kate Mulgrew als Stiefmutter macht ebenfalls eine gute Figur.
Die Serie basiert auf einem Bestseller und die Macher haben Erfahrung im Crime-Drama-Genre: Ridley Scott produzierte und führte bei der ersten Episode Regie. Chefautor ist Peter Craig, der Credits bei The Town und Gladiator II hat.
Läuft auf: Apple TV+
The Studio (26. 3.)
Hollywood-Meta-Betrachtungen sind ja selten ehrlich (La La Land), doch The Studio ist eine angenehme Ausnahme.
Seth Rogen spielt den angstgetriebenen Produzenten Matt Remick, der über Nacht Chef eines der größten Filmstudios Hollywoods wird. Endlich kann er die prestigeträchtigen Streifen greenlighten, von denen er als kleiner Junge immer geträumt hat! Haha, das Gegenteil ist natürlich der Fall. Sein Chef (Bryan Cranston) bestellt als erstes einen Film basierend auf dem Softgetränk Kool-Aid bei ihm. Was für Barbie funktioniert hat, kann auch für den Kool-Aid-Mann passieren. Fun!
An Matts Seite stehen seine geschasste Mentorin (Catherine O’Hara in Bestform), die Marketingchefin (Kathryn Hahn, über die ich so gelacht habe, dass Leute im Flixtrain gefragt haben, ob ich leiser sein kann) und sein Konkurrent und bester Freund (Ike Barinholtz, hier akzeptabel und deutlich angenehmer als beispielsweise in The Mindy Project).
Das war’s fast schon an fiktionalen Charakteren, ansonsten spielen sich alle Stars und Persönlichkeiten selbst und mit alle meine ich: alle. Martin Scorcese, Steve Buscemi, Ron Howard. Olivia Wilde, Charlize Theron, Greta Lee, Zoe Kravitz. Keinem hätte ich so viel Mut zur satirischen Selbstbetrachtung zugetraut. Oder auch nur so viel Witz.
Ich bin grundsätzlich erstaunt, wie akkurat und detailgetreu das Ganze ist. Unverfänglich bleibt es bei der Auswahl der Restaurants (Mother Wolf, Musso & Frank’s) bis hin zum Branchenpodcast, den Matt in seinem roten Oldtimer Cabrio hört (The Town). The Studio stichelt gegen Studio Executives, die ihre Arbeit als wichtiger empfinden als die von Onkologen. Gegen die riesigen Egos in einer Branche, die für einen Credit bei IMDB alles tun würden.

Es sieht außerdem alles extrem hübsch aus, was immer ein Plus ist und die angespannte Trommel-Musik, die Matt in seinem Wahn durch zehn Episoden verfolgt, kommt von Antonio Sanchez, der bereits für Birdman den Soundtrack verantwortete.
Weil wir vorhin über Seth Rogen sprachen. Ich finde er hat sich ganz schön gemacht und für Apple TV+ einiges hingestellt, was durchaus sehenswert ist. Weg von so schrecklichem Zeug wie Knocked Up (2007) und Pipi-Kacka-Humor hin zu Platonic (zweite Staffel in Postproduktion) und eben The Studio.
Das Marketing-Department war wie schon bei Severance on point.
Wenn ihr im März nur Zeit für einen Titel habt – nehmt den.
Läuft auf: Apple TV+
Außerdem zurück:
Dark Winds S3 (11. 3.)
Absolut sehenswert: der Neo-Noir-Thriller über die Verbrechen in einem Navajo-Reservat in den Siebzigern. In Staffel 3 sind Jim Chee und Joe Leaphorn einem “Monster” auf der Spur, das nicht nur erneut eine FBI-Agentin (Jenna Elfman) auf den Plan ruft, sondern auch Bernadette involviert, die mittlerweile bei der Border Patrol arbeitet.
Läuft auf: RTL+
Mehr zu Dark Winds:
Love is Blind: Schweden S2 (13. 3.)
Das Reality-Format, bei dem sich Hetero-Paare kennenlernen und verloben, ohne sich zu sehen, ist mal mehr mal weniger wholesome. Der schwedische Ableger hat vielen deutlich besser als das amerikanische Original gefallen. Weniger Lipfiller, weniger Instagrammodels, mehr “Kommen wir hier zusammen, wenn wir so unterschiedlich sind”. Mal sehen, wie Staffel 2 wird.
Läuft auf: Netflix
Side Quest (26. 3.)
Mythic Quest ist eine exzellente Workplace Comedy aus der Gaming-Branche, die fünfte Staffel läuft gerade noch. Weswegen ich in dieses vier Episoden lange Spin Off hoffnungsvoll reinschaue. Die erste Folge startet ein bisschen langsam, weil wir uns eben nicht im Büro befinden, sondern mit dem überarbeiteten Grafikdesigner im Urlaub. Aber trotzdem.
Läuft auf: Apple TV+
Prominent ignoriert:
Auf Netflix gibt es im März ein paar Formate, die vermutlich kurz Erwähnung finden werden – einfach weil sie entweder prominent besetzt und produziert sind, oder die Art von Zerstreuung bieten, die sich auf der Plattform bewährt hat. Bei dem guten Wetter sind jedoch Zeit und Patience limitiert. Aber nicht dass ihr denkt, ich würde nix mitkriegen.
Meghan Markle und ihre neue “Ich koche und treffe Promis”-Sendung soll so stinklangweilig wie ihre beigefarbenen Cardigans sein. Spare ich mir nur zu gerne.
The Residence ist die neueste Serie von Shonda Rhimes, und während ich wirklich zero an Rhimes’schen Hochglanzproduktionen auszusetzen habe (Grey’s Anatomy forever), habe ich irgendwie genug von diesen polierten Formaten, in denen immer dieselben Nasen zu sehen sind. Und ein Murder Mystery brauche ich derzeit auch nicht.
Gone Girls – The Long Island Serial Killer: Nope.
Genug gelästert, jetzt zu meinem und eurem Lieblingsprogrammpunkt.
Nostalgie-Watch:
Bridget Jones (2001)
“Nicht gut gealtert”, sagt man ja heute intellektuell-erhaben, wenn man Nostalgie-Ware aus den Neunzigern und Nullern anschaut und sich ertappt fühlt, weil man selbst Produkt einer Ära war, in der Frauen eingeredet wurde, die einzige akzeptable Figur sei die von Kate Moss. Dabei hat sich kaum ein Charakter kontinuierlich mit seinem Publikum so weiterentwickelt wie Bridget (aktuell ist der vierte Teil in den Kinos).
Gerade der erste Film hat extrem viel Charme und Witz und ein ausgezeichnetes Love Triangle. Bridget, die Wodka aus der Flasche trank und eine halbe Packung Gauloises auf der Couch zu Frasier rauchte, war in jeder Hinsicht relatable und Renee Zellweger völlig zu Recht für einen Oscar nominiert.
Hätte ich die Wahl zwischen Bridget Jones’ Diary und Anora — ich würde mich jedes Mal für hässliche Weihnachtspullis und charmante Machos entscheiden.
Läuft auf: Inklusive bei Joyn, RTL+ und Amazon Prime
Freue mich sehr auf Chet Hanks 🫶🏾
Running Point mochte ich auch!