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insbesondere an die vielen neuen SubscriberInnen. Ich freue mich sehr, dass wir so viele sind (und empfinde nur minimal mehr Druck als ohnehin schon). Ich bin Gesa, Journalistin, Drehbuchautorin, Streamingdienste-Heavyuserin, und bespreche hier regelmäßig Serien und Filme. Mehr zu mir, meiner Arbeit und meinem Hintergrund findet ihr hier. Wenn ihr den Newsletter nicht findet, checkt unbedingt den Spam-Ordner.
FreundInnen des guten Geschmacks,
die TV-Zeiten, in denen wir leben, fühlen sich endlich wieder… besser an? Severance, White Lotus, The Studio, Yellowjackets, The Last of Us, Bergdoktor Staffel 18 – ich habe schon durchaus schlechtere erste Quartale erlebt.
Ich weiß, der April ist fast vorbei, aber jetzt, wo wir zurück zu alten Sehgewohnheiten kommen (eine Folge pro Woche), werde ich da ein bisschen durchlässiger. Meine gefühlte Wahrheit ist folgende: The Last of Us und Severance – Wochenrhythmus ok, weil: Kann man eh nicht mehr ertragen. Hacks, Your Friends and Neighbours, Mythic Quest (RIP) braucht man eher mehr Material auf einmal, sonst ist man nicht genug verhaftet.
In diesem Sinne, hier die Watchlist für den Frühling:
North of North (jetzt online)
Es ist kein Geheimnis, dass ich großer Comedyserien-Fan bin, aber diese hier hat es mir besonders angetan – weil sie uns in eine unbekannte Welt mitnimmt, einen hervorragenden Piloten hat und an den richtigen Stellen richtig merkwürdig, aber immer leichtfüßig ist.
Siaja, eine 26-jährige Inuk-Frau, lebt mit ihrer kleinen Familie in der arktischen Ortschaft Ice Cove und hat den wohl beschissensten Tag ihres Lebens. Sie langweilt sich in ihrer Ehe und in ihrer Hausfrauenrolle und wird für ihre Ambitionen im Gemeindezentrum ausgelacht – vor allem von ihrem Mann, einem Kleinstadt-Prinzen vom Kaliber uncharmanter Macho (“Babe, was gibt’s heute Abend zu essen”).
Als sie auch noch bei einer Robbenjagd im eisigen Ozean landet, hat sie den Kanal voll. Es folgen Tequila, eine Homo Faber-eske Knutscherei und ein Zufallsjob bei der Stadtplanerin, einer Karen namens Helen.
Zusammen mit Siaja stolpern wir durch das arktische Kleinstadt-Chaos, was nicht nur sehr unterhaltsam ist, sondern auch soliden Eskapismus für allerlei Tarif- und Koalitionsvertragsverhandlungen liefert.
Läuft auf: Netflix
Der Soundtrack ist übrigens fabelhaft, hier ein Cindy-Lauper-Cover von der kanadisch-inuitischen Sängerin Elisapie Isaac:
Your Friends and Neighbours (ab 11.4., dann wöchentlich)
Apple hat 2025 ein hervorragendes Slate. Severance S2, Mythic Quest S4 und The Studio waren Ausrufezeichen und wir sind erst am Anfang von Q2. Your Friends and Neighbours kann da nicht ganz mithalten, aber sehenswert ist es irgendwie schon. Jon Hamm ist zehn Jahre nach seinem Don Draper zum ersten Mal wieder in einer Hauptrolle zu sehen – als Hedge Fund-Manager mit Ehe- und Finanzproblemen im New Yorker Umland. Lieblingsdrink: Whiskey neat.
So weit, so haben wir alles schon mal gesehen.
In seiner Not beginnt Coop also, NachbarInnen und FreundInnen auszurauben. Der Blick hinter die Fassaden der Superreichen und Privilegierten ist unterhaltsam, wenn auch nicht zynisch genug, um richtig weh zu tun. Gerade nach hinten raus verliert die Serie an Tempo und wiederholt sich, anstatt durch die Türen zu gehen, die sie so mühsam aufgedrückt hat.
Vor einer Weile haben die KollegInnen von vulture.com, die noch mehr Fernsehen schauen als ich, kommentiert, Apple TV+ sei ein Lieferant für Serien mit der Note B+. Die Beurteilung finde ich ein bisschen ungnädig, für Your Friends and Neighbours allerdings zutreffend.
Trotzdem wurde die Serie bereits verlängert, nächste Staffel wird James Marsden mit dabei sein und damit könnte sich F&N auf eine 1- verbessern.
Läuft auf: Apple TV+
The Last of Us S2 (ab 14.4., dann wöchentlich)
Pedro Pascal und Bella Ramsey, die sich durch die verschimmelte Zombie-Apokalypse kämpfen – das war 2023 Must-Watch-TV. Die zweite Staffel setzt fünf Jahre später an, Joel hat Ellie zuletzt gegen ihren Willen und ohne ihr Wissen aus dem Krankenhaus der Fireflies geholt. Er hat ihr das Leben gerettet, aber mutmaßlich auch die Chance auf ein Antidote für diese widerliche Wucherung ruiniert. Unsere HeldInnen sind also auf Konfliktkurs.
Die schlechte Nachricht: Diese Staffel hat nur sieben Folgen. Die gute(n): Catherine O’Hara hat eine Gastrolle und eine dritte Staffel wurde bereits gegreenlighted. Außerdem verlinke ich euch hier den Pedro-Pascal-Supercut. Gern geschehen.
Läuft auf: WOW TV
Mid-Century Modern (18.4.)
Diese Sitcom mit Live-Publikum (!) wurde allgemein als “schwules Golden Girls” gepitcht und das… ist ehrlich gesagt der beste Pitch. Drei schwule Männer (Legenden-Cast: Nathan Lane, Matt Bomer und Nathan Lee Graham) ziehen in die schwulste Stadt Amerikas: Palm Springs. Als ungleiches Trio haben alle ihre eigene Lektion zu lernen: Lebenskrisen, Beziehungskrisen, Outfit-Krisen – die heilige Dreifaltigkeit einer jeden guten Sitcom. Großes Plus: Pamela Adlon bekommt nach Better Things endlich mal wieder Screentime. Vom Ton her irgendwo zwischen Will und Grace und Cheers.
Läuft auf: Disney+
You S5 Teil 1 (24.4.)
Das ist mein absoluter Hate-Watch, aber aufgrund meines Komplettierungs-Komplexes werde ich dranbleiben. Joe Goldberg (Penn Badgley), der charmante, belesene Frauenmörder von nebenan, ist in der fünften und finalen Staffel zurück in New York. Kann er sich zusammenreißen? Vermutlich nicht.
Läuft auf: Netflix
How to Sell Drugs Online (Fast) S4 (jetzt online)
Die Geschichte von Moritz (Maximilian Mundt), der in einem deutschen Kleinstadtkaff aus seinem Kinderzimmer Drogen vertickt, ist mit das Unterhaltsamste, was in Deutschland gesendet wurde und wird. In der vierten und letzten Staffel (Stand jetzt) kommt Moritz nach vier Jahren aus dem Gefängnis frei und steht vor neuen Herausforderungen (Job finden) und alten Rivalitäten (Dan und Lenny).
Läuft auf: Netflix
Wo ich reinschauen werde:
Etoile (24.4.)
Die Prämisse ist ein bisschen lahm, aber wenn die MacherInnen von Gilmore Girls und The Marvelous Mrs. Maisel was Neues haben, kann man schon mal reinschauen. Zwei große Ballettkompanien aus New York und Paris tauschen ihre Stars. Es wird viel getanzt, Charlotte Gainsbourg und Luke Kirby (Lenny Bruce aus Maisel) sind im Cast und ich hatte ein großes Herz für Center Stage. Alors, en danse (sorry).
Läuft auf: Amazon Prime
Suits: LA (17.4.)
Nach ihrem großen Erfolg bekommt die Anwaltsserie Suits ein Spin Off in Los Angeles. Ohne Harvey Specter und Konsorten dafür mit genauso vielen Egos in Designeranzügen.
Läuft auf: Magenta TV
Unentschlossen:
Dying for Sex (jetzt online)
Diese Story lässt mich irgendwie kalt, obwohl sie eigentlich eine Top-Prämisse hat und auf einer wahren Geschichte beruht: Es geht um die todkranke Molly (Michelle Williams), die noch nie einen Orgasmus hatte (also außer mit sich selbst). Nach ihrer Krebsdiagnose beschließt sie, ihren Mann zu verlassen (wenig Mitleid an der Stelle, Mister) und begibt sich auf sexuelle Selbstfindungsreise.
Der Titel wurde sehr gut besprochen und im gerade eröffneten Emmy-Rennen ist Michelle Williams quasi Frontrunnerin. Das wäre für mich ein Grund an einem Samstagspätnachmittag mal reinzuschauen, während ich Sukkulenten umtopfe.
Ich tue mich trotzdem schwer und ich glaube, es liegt daran, dass ich Sexualität in amerikanischen Serien mal mehr, meistens weniger gut thematisiert finde. Der Trailer lässt nichts Gutes ahnen, so eine Art verklemmter Voyeurismus, nein danke.
Läuft auf: Disney+
Auch noch zurück:
The Handmaid's Tale S6 (8.4.)
Läuft auf: Magenta TV
Black Mirror S7 (jetzt online)
Läuft auf: Netflix
Andor S2 (23.4.)
Läuft auf: Disney+
Grey’s Anatomy S21 (28.4.)
Läuft auf: Disney+
Und nun zu euer und meiner Lieblingskategorie, dem
Nostalgie-Watch:
Dazed and Confused (1993)
Ostersonntag fiel dieses Jahr auf den 20. April, die American Cinemateque zeigte anlässlich des 4/20 den Quote-Unquote Kultfilm von Richard Linklater im legendären Egyptian-Kino (den Kontext müsst ihr euch selbst erschließen, aber es wurde mehrfach darum gebeten, nur draußen zu rauchen).
In Dazed und Confused geht es um den letzten Tag an einer High School in Austin, Texas in den Spätsiebzigern. Die großen Themen sind: Wo ist heute Abend die Party? Wer spielt nächste Saison im Football-Team? Wer wird von den Deltagammas aufgenommen. Das ganz normale amerikanische Highschool-Tamtam. Aber Linklater zeichnet mit viel Wärme und Wehmut das Bild eines bedeutsamen Tages, der eine Vorahnung aufs Erwachsenwerden gibt.
Hach, to be young and dumb and stoned again. Wobei:
Linklater ist der Vater aller Coming-of-Age-Filme und auch wenn ich prinzipiell keinen Bock mehr habe, mir romantisierte Halbstarken-Nostalgie anzuschauen (Beispiel unten), ist der Witz und das verzeihende Auge des Regisseurs in jeder Szene zu spüren.

Aaaalso Dying for Sex, wie gesagt, eine der besten Serien dieses Jahr. North of North = richtig gut, gerne mehr. Friends and neighbors fand ist so eine schöne shiny Hintergrundkulisse für Nägel machen oder so. Hab Jon Hamm auch Landman noch nicht verziehen.
Die Story von Dying for Sex ist jetzt wenig überraschend und die Sex-Geschichte ist tatsächlich eher so meehh, aber die Nebendarsteller*innen - von der besten Freundin, der Betreuerin im Krankenhaus, dem behandelnden Arzt, der Mutter und und und - sind alle richtig gut und lassen einen dran bleiben - zumindest wenn es gerade nix besseres auf dem Serienteller gibt.